Gerhard Falkner: Gedichte en plein air, Berlin
„Das Gedicht besitzt den letzten einzigartigen Zugriff auf die Welt, in dem der Zugreifende als Subjekt agiert und durch abgewandelte Sprache animierend in die sich verflüchtigende Welt eingreift“, heißt es in einem jüngst erschienenen Text Falkners. So komme Dichtung im besten Falle noch immer die Aufgabe zu, der Sprache das Sprechen beizubringen. Wie das funktioniert, zeigt der Lyriker und Meister der Zuspitzung nachhaltig mit dem Zyklus Schorfheide. Er führt den Leser unter freien Himmel in die urwüchsige Natur vor den Toren Berlins, um Hören und Sehen, das Betrachten, Beachten und Verknüpfen zu reaktivieren. Mit scharfem Blick und Verstand setzt er Zeichen gegen ein „vernützlichtes Denken“ und das „Komplexitätsverbot“ der Kunst.
Mir geht es ähnlich wie den Worten
sie liegen offen wie Steine, es wächst
einfach kein Gras drüber, sie überstehen
ihr Schweigen mit unmenschlicher Härte
Das Gras hebt sie wie Schulterpolster
wenn im Morgentau es quillt
doch drückt das Totgeschwiegene
von oben
sie in den dunklen Daseinsgrund
zurück
Ich habe morgens überhaupt keine Chance mehr
meine Socken wiederzufinden
so existenziell ist alles geworden
so bodenlos vieldeutig
so schwärmerisch vertieft